Mittwoch, 20. Oktober 2021

Südafrikanische Präzision


Der Tag beginnt insofern positiv als dass Laura überraschend geschmeidig aus dem Bett aussteigt und im Vergleich zu gestern abend weitgehend rund läuft. Eine derartige Wunderheilung hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Vor der heutigen vierten Etappe habe ich dennoch Respekt, denn die Erinnerung an das Cape Epic 2016, welches ich gemeinsam mit Felix Fritzsch bestritt, ist immer noch wach. Damals starteten ebenfalls drei Etappen in Tulbagh/Saronsberg. Mit unseren Hardtails polterten wir damals mehr durch die Trails hier als dass wir fuhren. Immerhin sind Laura und ich dieses Mal vollgefedert unterwegs …

Zunächst startet die Etappe aber auf breiten Schotterwegen, sodass es recht zügig losgeht. Wir haben einen guten Start und können uns unter möglichst hoher Schonung von Lauras Kräften in einer vorderen Gruppe festsetzen. Einen kurzen Schreckmoment gibt es dennoch, als der breite Schotterweg urplötzlich von einem Feld kindskopfgroßer Steine unterbrochen wird. Im Staub des Feldes scheppern wir dort mit Top-Speed hinein. Ein Fahrer vor uns steigt abrupt unfreiwillig vom Rad ab und Laura kann nur noch notankern. Ganz schafft sie es allerdings nicht mehr das Rad zum Stillstand zu bringen und geht ebenfalls zu Boden. Das aber glücklicherweise auf die andere Seite als gestern und ohne nennenswerte Beschädigungen an Mensch und Material, sodass es unmittelbar weitergeht. Nach der ersten Feedzone geht es dann in die ersten Trails, die über den ganzen Tag hinweg unerwartet “smooth” und damit flüssig zu fahren sind. Die ersten beiden Berge vergehen wie im Fluge und die jeweils folgenden Abfahrten bringen ein Grinsen ins Gesicht. Laura fährt heute auch sichtbar defensiver als gestern – Wunder gibt es also doch. Dafür verdient sie sich den ersten Platz auf der Massageliege. Diesen nimmt sie gerade ein, während ich schreibe. In der Mitte des Rennens folgt ein recht langes Flachstück. Dort betitelt mich ein nicht näher benannter Ex-Straßenprofi erstmal lautstark als “Amateur”, weil ihm meine Fahrweise nicht passt. Recht hat er natürlich mit seiner brillianten Feststellung. Die Gruppe lassen wir besser ziehen, denn die Fahrweise dort ist uns zu unrhythmisch, was Laura nicht gerade entgegenkommt. Stattdessen sparen wir Kräfte für den letzten Anstieg, der äußerst steil ist. Diesen kommen wir trotz drückender Hitze überraschend gut nach oben und sammeln auch den Ex-Straßenprofi samt seinem Partner (ebenfals Ex-Straßenprofi) wieder ein. Das Teamwork, was die beiden hier veranstalten, würde ich durchaus auch als amateurhaft bezeichnen. Die abschließende Abfahrt bringen wir sicher hinter uns und können die aus unserer Sicht bisher schönste Etappe erfreulich zwischenfallsfrei als erneute Tagessieger vor Janine Schneider/Benjamin Michael und Evelyne Trepte/Michael Trepte beenden. Der eigentliche Marathon im drückend heißen Race-Village folgt allerdings erst noch. Zunächst wird Laura zur Dopingkontrolle gebeten. Dies ist aufgrund der Hitze des Tages ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt, denn sie müsste hierzu ja pullern können. In der Folge verbringen wir noch ganze drei Stunden im Start-Ziel-Gelände. Darin beinhaltet ist auch der heute verpflichtende Covid-Test. Dieser wird mit gewohnter südafrikanischer Präzision – also völlig chaotisch – durchgeführt. Statt der angekündigten 15 Minuten, dauert die Geschichte für uns 60 Minuten. Im Gegensatz hierzu spulen die Väter die Etappe wieder mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks ab und finishen zu unserer Freude gesund und den Umständen entsprechend munter. Sie müssen allerdings beim Covid-Test noch deutlich geduldiger sein als wir, denn der Test meines Vaters geht unterwegs verloren. Schlussendlich kann aber auch diese Unstimmigkeit durch nochmalige Testung behoben werden und wir können uns nun der Regeneration zuwenden.

Die morgige Etappe ist den technischen Daten nach zu urteilen im Vergleich zu den bisherigen Etappen fast schon ein Ruhetag. Aber ehrlich gesagt traue ich dem Frieden nicht, denn diesbezüglich habe ich mich in Südafrika schon einige Male getäuscht …

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